Was ist aus dem Bitcoin-Windpark in Dakhla geworden?
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Der seit langem angekündigte Bitcoin-Windpark in der besetzten Westsahara scheint vollständig zum Stillstand gekommen zu sein.

03. Juli 2025

Im Jahr 2018 verkündeten Schlagzeilen, dass in der Nähe von Dakhla in der besetzten Westsahara ein riesiges windbetriebenes Rechenzentrum für Blockchain-Computing entstehen sollte, das erneuerbare Energien mit modernen Finanztechnologien kombinieren sollte.

Das Projekt unter der Leitung des US-amerikanischen Unternehmens Soluna Technologies und mit Unterstützung der Private-Equity-Firma Brookstone Partners hatte sich mit dem marokkanischen Staat zusammengetan, um einen 900-MW-Windpark mit dem Namen „Harmattan Wind“ zu entwickeln. Bei der mit großem Tamtam gestarteten Präsentation zeigten die Entwickler:innen jedoch keinerlei Rücksicht auf die Rechte der Sahrauis, die unter der illegalen und brutalen Besatzung Marokkos leben.

Das Zertifizierungsunternehmen DNV GL zog sich aufgrund der Kontroverse aus dem Projekt zurück. Seitdem ist es jedoch bemerkenswert still um die einst so stark beworbene Initiative geworden.

Eine offenbar veraltete Seite auf der Website des marokkanischen Ministeriums für Energiewende behauptet nach wie vor, dass die ersten 100 MW der geplanten 900 MW Leistung bis 2023 in Betrieb genommen werden sollen. Dieser Meilenstein ist jedoch eindeutig verstrichen, ohne dass es Anzeichen für Fortschritte gibt.

Das regionale Investitionszentrum Dakhla-Oued Eddahab der marokkanischen Regierung stellt das Projekt weiterhin als vollständig aktiv dar. Auf ihrer Website [Download hier] wird der Windpark als strategische, hochkarätige Investition präsentiert: eine 900-MW-Anlage, die von Soluna über ihre lokale Tochtergesellschaft A.M. Wind entwickelt wurde und ein Blockchain-Rechenzentrum mit Strom versorgen soll. Die angegebene Investitionssumme beläuft sich auf 5,6 Milliarden MAD (ca. 500 Millionen Euro).

Laut der Website wurde für das Projekt bereits Land („private state domain”) 45 Kilometer nordöstlich von Dakhla in der Nähe der N1-Straße bereitgestellt. Der Windpark würde sich über zwei große Zonen erstrecken. Der „nördliche Teil” mit einer Fläche von 6.656 Hektar wird durch die Koordinaten zwischen 24°03’30”N und 24°10’00”N sowie zwischen 15°30’13”W und 15°25’14”W definiert. Acht Kilometer weiter südlich liegt der 4.657 Hektar große „südliche Teil“ zwischen 23°57’50”N und 24°02’50”N sowie 15°37’36”W und 15°39’54”W. Insgesamt sollen an diesem Standort 180 Windkraftanlagen entstehen.

Western Sahara Resource Watch (WSRW) ist nicht bekannt, warum beide Felder – vor allem das südliche Feld – laut diesen Koordinaten in die Gewässer der Westsahara hineinragen. In öffentlichen Quellen gibt es keine Hinweise darauf, dass der umstrittene Windpark teilweise offshore liegt. Die obige Karte wurde von WSRW auf der Grundlage der von den marokkanischen Behörden angegebenen Geokoordinaten erstellt.

Die erste Tranche mit 350 MW soll laut Investitionszentrum innerhalb von drei Jahren nach Erhalt der erforderlichen Genehmigungen gebaut werden.

Vor Ort ist jedoch nichts davon umgesetzt worden, die Bauarbeiten haben noch nicht mal begonnen und es wurden keine Windräder installiert. Es gibt kein Rechenzentrum. Was als Marokkos – und Afrikas – erstes großes grünes Blockchain-Rechenzentrum angekündigt wurde, bleibt reine Theorie.

Marokkos Narrativ vs. Solunas Realität

Während marokkanische Behörden das Projekt weiterhin als wirtschaftliche und technologische Erfolgsgeschichte präsentiert, zeichnet die finanzielle Lage von Soluna ein anderes Bild.

Soluna Technologies, das Unternehmen, das ursprünglich hinter dem Projekt stand, hat eine umfassende Umstrukturierung durchlaufen. Im Jahr 2021 gliederte es seinen Energiezweig unter dem neuen Namen Harmattan Energy aus und distanzierte sich damit von seiner börsennotierten US-Tochtergesellschaft Soluna Holdings, Inc. Harmattan Energy behielt die Kontrolle über den Windpark in Dakhla.

Seitdem befindet sich Soluna Holdings in einer stetigen finanziellen Schieflage. Im Jahr 2023 berichtete Le Desk, dass der Marktwert des Unternehmens von über 200 Millionen Dollar auf unter 5 Millionen Dollar gefallen war. Im Mai 2025 warnte der Nasdaq das Unternehmen offiziell, dass es von der Börse genommen werden könnte, da es den Mindestaktienkurs von 1 Dollar an mehr als 30 aufeinanderfolgenden Handelstagen nicht halten konnte. Soluna hat nun bis November 2025 Zeit, die Anforderungen wieder zu erfüllen, sonst droht die Entfernung von der Börse.

Der Zusammenbruch des Unternehmens scheint auf jahrelange finanzielle Misswirtschaft und Überdehnung zurückzuführen zu sein. Eine Untersuchung von Le Desk aus dem Jahr 2020 beschrieb die Fundraising-Taktiken von Soluna als „ähnlich einem Ponzi-Schema”. Das Unternehmen soll seinen regulatorischen Status in Marokko falsch dargestellt haben, um frühzeitig Investitionen zu sichern, indem es Genehmigungen aus Rabat vorgab, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erteilt worden waren.

Bis 2020 hatte Soluna fast 1 Million US-Dollar an unbezahlten Schulden gegenüber Berater:innen, Anwaltskanzleien und Auftragnehmer:innen angehäuft, darunter 150.000 US-Dollar, die dem ehemaligen US-Botschafter Dwight L. Bush für Lobbyarbeit geschuldet werden. Aus den Finanzunterlagen ging auch hervor, dass wichtige Verpflichtungen gegenüber den frühen Projektpartner:innen noch nicht erfüllt worden waren. Die deutsche Firma Altus AG, die den Standort ursprünglich über ihre Tochtergesellschaft A.M. Wind entwickelt hatte, wurden noch 200.000 Euro geschuldet, dazu kommen noch 8 Millionen Euro an ausstehenden Meilensteinzahlungen.

Die finanziellen Probleme von Soluna wirken sich nicht automatisch auf die Finanzlage von Harmattan Energy aus. Harmattan Energy ist ein privates Unternehmen und als solches sind keine Finanzdaten öffentlich zugänglich. Das Unternehmen hat jedoch keine Website, hat seit 2021 keine aktuellen Informationen veröffentlicht und keine Berichte über den Stand der Investition oder des Projekts herausgegeben.

Trotz dieser Warnsignale führen die marokkanischen Behörden den Windpark Dakhla weiterhin als eines ihrer Vorzeigeprojekte auf. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass die aufgeführten Meilensteine – von den Investitionsauszahlungen bis zum tatsächlichen Baubeginn – erreicht oder auch nur in Angriff genommen wurden. Weder Harmattan Energy noch Soluna Holdings haben seit über zwei Jahren öffentlich über den Stand des Projekts berichtet.

Warum diese Stille?

Die Beharrlichkeit der marokkanischen Behörden, das Dakhla-Projekt trotz zunehmender Hinweise darauf, dass es zumindest ins Stocken geraten ist, voranzutreiben, hat wahrscheinlich eher politische als wirtschaftliche Gründe.

Der geplante Windpark befindet sich in der Westsahara, einem Hoheitsgebiet, das von den Vereinten Nationen als nicht selbstregiert anerkannt ist, bis ein Entkolonialisierungsprozess abgeschlossen ist. Marokkos Ansprüche auf die Souveränität über das Gebiet wurden vom Internationalen Gerichtshof und vom Gerichtshof der Europäischen Union zurückgewiesen. Das sahrauische Volk, vertreten durch die Polisario-Front, hat diesem oder anderen von Marokko geleiteten Infrastrukturprojekten auf seinem Gebiet nicht zugestimmt.

Nach internationalem Recht dürfen die Ressourcen von Hoheitsgebieten ohne Selbstregierung nicht ohne die Zustimmung des Volkes dieses Gebiets ausgebeutet werden. Jedes Infrastrukturprojekt in der Westsahara, das ohne diese Zustimmung durchgeführt wird, birgt die Gefahr, die illegale Besatzung durch Marokko weiter zu festigen und gegen völkerrechtliche Normen zu verstoßen.

In den letzten Jahren hat Rabat zunehmend Initiativen im Bereich der grünen Energie – Solarparks, Windprojekte, Pläne für grünen Wasserstoff – genutzt, um seine nicht haltbare Kontrolle über die Westsahara als fortschrittlich und zukunftsorientiert darzustellen. Solche Investitionen dienen jedoch nur dazu, die Besatzung zu normalisieren und die Bemühungen um eine gerechte und dauerhafte Lösung im Rahmen des UN-Friedensprozesses zu erschweren.

Fortschritte erfordern Rechenschaftspflicht

„Wenn die marokkanische Regierung, Soluna, Harmattan Energy oder zukünftige Investierende das Dakhla-Projekt fortsetzen wollen, müssen sie zunächst eine grundlegende rechtliche und ethische Voraussetzung erfüllen: die Zustimmung der sahrauischen Volkes einholen. Außerdem müssen sie den vollständigen finanziellen, rechtlichen und regulatorischen Status des Projekts offenlegen und sich zu internationalen Normen in Bezug auf Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung verpflichten“, sagt Sara Eyckmans von Western Sahara Resource Watch. „Bis dahin scheint die Bitcoin-Farm von Dakhla eine Fata Morgana zu bleiben: eine warnende Geschichte über Greenwashing und die Aufrechterhaltung einer Besatzung.“



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